Endlich wieder All You Can Row

  • 18. September 2021

Manche Dinge führen zu einer gewissen Abhängigkeit. Gleichzeitig entwickelt man jedes Jahr auch gemischte Gefühle vor dem Termin, denn zur Freude, wenn man das Ufer spätestens bei Sonnenuntergang erreicht hat, mischen sich Schmerzen, mehr oder weniger ausgeprägt an den verschiedensten Körperstellen.

Nichtsdestotrotz haben wir die Absage im Jahr 2020 sehr bedauert und waren von Anfang an für dieses Jahr hoffnungsvoll, dass die Veranstaltung wieder stattfinden kann. Wir alle wissen, dass das Rudern bis Mitte des Jahres noch stark reglementiert und eingeschränkt war, sodass unsere Vorbereitung in diesem Jahr eher überschaubar bis nicht vorhanden war. Die Freude über den Ausweichtermin am vergangenen Samstag, dem 18.9.2020, war umso größer und unserer Teilnahme stand sofort fest.

Da der Vorlauf in diesem Jahr so kurz war, beschlossen wir unsere Teilnahme an dem Event diesmal nicht mit einem Spendenaufruf zu verbinden. Trotzdem gab es ein paar Besonderheiten.

Wir hatten im letzten Jahr von den Karlsruher Ruderfreunden einen gebrauchten 4x+ erstanden und diesen in der Zwischenzeit etwas “aufgehübscht”. Die ehemalige Krake der Karlsruher kehrte nun in neuem Gewand zu ihrem ehemaligen Zuhause zurück.

Bereits auf der Rückfahrt im letzten Jahr hatten wir über einen möglichen Namen für das Boot gesprochen. Schnell konnten wir uns auf einen Vorschlag einigen. Den Namen Rosa Moos, einer ehemaligen jüdischen Mitbürgerin Wesels, die 1942 nach Theresienstadt deportiert und nachfolgend in Treblinka ermordet wurde, deren Namen sollte das Boot tragen. In Gedenken an Rosa Moos gibt es in Wesel einen Stolperstein. Nachdem wir uns auf den Namen geeinigt hatten, kam schnell die Idee hinzu, mit dem so getauften Boot ein Zeichen zu setzen. Dazu entschlossen wir uns zu einer besonderen Farbgebung in rosa und moosgrün, brachten am Rumpf des Bootes den Text des Artikels 1 unseres Grundgesetzes an und in Absprache mit dem Initiator der Stolperstein-Aktion konnten wir eine Gedenktafel in Größe des Stolpersteins mit den Daten von Rosa Moos im Boot anbringen.

Ziel soll es sein in einer Zeit, in der Nazis wieder in Parlamenten sitzen, antisemitische (Auch wenn sie glücklicherweise zum Teil wie zuletzt vor Ausführung verhindert werden können.), fremdenfeindliche und rassistische Taten zunehmen und man den Eindruck hat, dass das Das-wird-man-doch-wohlnoch-sagen-dürfen zunehmend grenzverletzender wird, klare Position gegen derartige Tendenzen in unserer Gesellschaft und auch im Sport zu beziehen und zu Gesprächen und Diskussionen aufzufordern.

Dies passte umso mehr zu AYCR als das an der Ausfahrt des Karlsruher Hafens wie auch in Karlsruhe verteilt Gedenktafeln stehen, die an unsere gesellschaftliche Grundlage, unsere freiheitlichdemokratischen Grundordnung, unser Grundgesetz, dessen oberste Wächter in Karlsruhe ansässig
sind, erinnern.

Bereits in Karlsruhe und auch bei unserer Ankunft in Mainz hat die besondere Erscheinung von „Rosa Moos“ zu Aufmerksamkeit, Fragen und guten Gesprächen Anlass gegeben. Wir hoffen, dass dies so bleibt. Auch auf kontroverse Diskurse hoffen wir. Denn nur im Gespräch kann man Überzeugungsarbeit leisten. Die, die nicht sprechen, erreicht man nur selten.

Da in diesem Jahr einige Sonnenstunden weniger zur Verfügung standen, hatten wir mit unserem Teamnamen (“Rosa will nach Bingen … Imke auch!”) ein zugegeben recht mutiges Ziel formuliert. Zu Beginn konnten wir uns zusammen mit einem 3x+ etwas absetzen und da dessen Mannschaft deutlich jünger war, erwarteten wir eigentlich, dass diese sich problemlos an die Spitze setzen würde. Nach wiederholtem gegenseitigen Passieren bei Wechselpausen, gelang es uns jedoch, die Führung im Feld zu übernehmen. Bei Rheinkilometer 495 km kalkulierten wir die noch mögliche Strecke bis zum Sonnenuntergang und kontaktierten WD bezüglich der anvisierten Landungsstelle in Ingelheim.
WD riet uns davon ab, da Anlanden in Ingelheim zwar möglich sei, durch die laufende Hundertjahrfeier des Ortes jedoch eine Abholung von Mannschaft und Boot nicht möglich sei. Daraufhin entschieden wir uns nach Mainz zu rudern, auch wenn noch ausreichend Zeit bis zum Sonnenuntergang verblieben wäre und dort unsere Ankunft als erste Mannschaft gebührend zu feiern. Der uns verfolgende 3x+ nutzte den taktischen Vorteil der Kenntnis, dass wir bereits in Mainz angekommen und dort das Rennen beendet hatten, entschied sich zu einem Umweg von 5 km und erreichte damit in diesem Jahr die weiteste geruderte Strecke bei AYCR 2021.

Wir hatten viel Spaß, die Schmerzen hielten sich in Grenzen und wir möchten uns an dieser Stelle nochmals bei WD und seinem Team in Karlsruhe sowie den Mainzer Ruderkameradinnen und -kameraden ganz herzlich bedanken. Wir freuen uns auf 2022, hoffentlich mit ein paar Stunden mehr Ruderzeit und einer entsprechend längeren absolvierten Strecke.
P.S.: Die Mannschaft des 3x+ werden wir am 2.10.2021 in Düsseldorf zum Reinmarathon wiedersehen.

Kai im Namen des „Rosa Moos“-Teams
(Imke, Hans-Herrmann, Tim, Joachim und Kai)

… und weitere Bilder   Karlsruher Rheinclub Alemannia